Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Tagebuch unserer Kamerunreise vom 14. Juli bis zum 4. August 2018. Die Reise führten meine Frau Josette, unseren 16-jährigen Sohn Laurel und mich von Yaoundé, der Hauptstadt des zentralafrikanischen Staates, zunächst nach Osten ins Heimatdorf meiner Frau, nach Wall. Dieses befindet sich im Département da la Haute Sanaga. Danach ging es über einen Zwischenhalt in der Hauptstadt zur Antlantikküste nach Kribi zum Strandurlaub. Hier nun zunächst meine Eindrücke aus dem politischen Zentrum des Landes. Die Basisinfos über die Stadt hält Wikipedia hier bereit.
Reisevorbereitungen
Die Reisevorbereitungen für unseren 3-wöchigen Trip nach Kamerun begannen natürlich schon viel früher. Flugtickets wurden bei Brussels Airlines gebucht. Von Düsseldorf war dies die günstigste Möglichkeit nach Kamerun zu kommen: Direktflug nach Yaoundé und nur gut 2 Stunden Fahrtzeit von Düsseldorf zum Flughafen. Der Wagen konnte außerdem zu einem Preis am Flughafen Brüssel-Zaventem geparkt werden, zu dem in Düsseldorf kaum die Durchfahrt durch die Drop-Off-Zone möglich ist.
Das Hotel für die ersten Nächte nach der Ankunft in Yaoundé wurde über Expedia.de gefunden und einige Monate im Voraus gebucht. Die Wahl fiel auf das „Hôtel des Députés“. Laut einschlägiger Bewertungsportale nicht mehr die allererste Adresse am Platz. Aber meine Frau Josette kannte es noch aus den 80ern, als ihr Vater Parlamentsabgeordneter in Kamerun war. Hier stiegen die wichtigen politischen Amtsinhaber ab, wenn sie in der Hauptstadt ihren Regierungsaufgaben nachgingen. Aus Nostalgiegründen also ins „Hôtel des Députés“, gelegen am See „Lac Municipal“ im Herzen der Metropole. Preislich schien es auch machbar zu sein.
Dass sich eine solche Reise nicht bis ins letzte Detail vorausplanen lässt, oft nicht einmal in den grundlegenden Dingen, zeigte sich am Tag vor dem Abflug. Mehr zufällig schaute ich Freitag Mittag (ein Tag vor Abflug) auf mein Handy und fand eine Benachrichtigung von expedia.de.. „Ihre Zimmer sind nicht mehr verfügbar. Bitte stornieren Sie die Buchung.“ war alles, was dort in trockener Eindeutigkeit zu lesen war. Um mich jetzt mit Expedia rumzustreiten hatte ich nicht den Nerv. Fix reservierte ich über Booking.com ein anderes Hotel in der Hoffnung, dass man nicht zweimal Pech haben kann. Natürlich wurde es nun nicht mehr ganz so günstig, aber die Darstellung des Hotels „La Falaise“, ebenfalls im Zentrum gelegen, versprach sehr guten Standard: sauber, mit Pool und WLAN. Da es bei allem Abenteuter, das eine Kamerunreise verspricht, aber auch um unseren Familien-Sommerurlaub ging, gönnten wir uns diesen Luxus. Eine gute Entscheidung, wie sich später zeigen sollte.
Dass sich eine solche Reise nicht bis ins letzte Detail vorausplanen lässt, oft nicht einmal in den grundlegenden Dingen, zeigte sich am Tag vor dem Abflug.
Mit 7 Koffern à 23kg und 5 Handgepäckstücken gings dann am Samstag, den 14. Juli 2018 in unserem Auto zum Flrughafen nach Brüssel. Josette hatte an den Wochenenden davor für möglichst viele Familienmitglieder Geschenke, zumeist Klamotten und Schuhe eingekauft. Mit etwas Glück ging unsere Ladung mit nur geringem Stirnrunzeln ob des einen oder anderen Kilo Übergewichts durch.
Vom Flughafen Nsimalen ins Stadtzentrum
Am Ankunftsflughafen Yaoundé Nsimalen liefen die üblichen Einreiserituale ziemlich reibungslos ab. Natürlich wehrten wir uns erfolglos gegen die sehr aufdringlichen Kofferträger, die schon direkt am Gepäckband nach unseren Koffern grapschten und uns ihre Dienste (20,-€!) aufnötigten. Drei unserer Nichten und Neffen holten uns mit Josettes Vaters großem Mitsubishi Pajero ab, so dass das Gepäck mit einigem Drücken und Würgen komplett verstaut werden konnte.
Die Straßen in Kameruns Hauptstadt schienen seit meinem letzten Besuch vor 12 Jahren nicht besser geworden zu sein. Aspahltierte Abschnitte wechseln sich selbst im Stadtzentrum mit feldwegartigen, schlaglochdurchsetzten Pisten ab. Die Menge der Autos, die sich zwischen den zahlreichen Fußgängern durch die Straßen wälzt, schien ebenfalls deutlich zugenommen zu haben. Ganz sicher mischte sich in die mir bekannten Holzkohlefeuergerüche, mit denen ich Yaoundé immer in Verbindung bringe, eine deutlich stärkere Dieselabgasnote, als ich es in Erinnerung hatte. Die Abgase ließen unsere Umweltzonen-verwöhnten Nasen und Lungen zeitweise röchelnd um Erleichterung ringen. Diese Erfahrung sollte uns in den nächsten Tagen in der Hauptstadt eine treue Begleiterin bleiben.
Nach fast 2 Stunden waren die 20km bis zum Hotel „La Falaise“ in der Avenue Marechal Foch bewältigt. Unsere Hotelwahl erwies sich schließlich als ein Glücksgriff. Ein sehr sauberes Etablissement, durchaus mit europäischen 3- bis 4-Sterne-Häusern vergleichbar. Fließend warmes Wasser aus der Wand, nahezu durchgehend Strom, ein stabil laufendes WLAN, ein Pool. Besonders das nette und sehr hilfsbereite Personal machte unseren Aufenthalt sehr angenehm. Man merkt, dass menschliche Arbeitskraft in diesem Land vergleichsweise billig ist bzw. nur wenig dafür bezahlt wird. Entsprechend groß ist die Zahl der Leute, die sich um einen perfekten Service kümmern. Uns kam dieses Hotel ein bisschen wie eine Oase der Glückseligen und Gutbegüterten im Moloch von Yaoundé vor. Freilich können sich die Preise, die ebenfalls europäischem Niveau entsprechen, nur wenige reiche kameruner Geschäftsleute und europäische Touristen leisten.
Zum kontientalen Frühstück wurden Beignets – eine Art in Öl frittierter Krapfen – rote Bohnen, frittierte Kochbananen und abwechselnd gebratenes Huhn oder Fisch am Buffett angeboten. Ach, und die Matratzen waren auch spitze. Ich konnte so gut schlafen, wie selten irgendwo in einem Hotel.
Der Park „Bois Saint Anastasie“
Den ersten Vormittag nutzten unser Sohn und ich zu einem kleinen Stadtspaziergang. Dieser führte uns in den recht hübschen Park „Bois Saint Anastasie“. Bei diesem handelt es sich um ein ambitioniertes Projekt eines zentral gelegenen, gartenähnlichen Parks in einer Stadt, in der es sonst nur wenig Platz für Grünflächen oder Bäume gibt. Besonders die östlichen Stadtteile und die Peripherie Yaoundés sind extrem dicht mit flachen Häusern und Hütten bebaut und können den enormen Druck durch ungebremsten Zuzug aus den ländlichen Gebieten nur ungenügend verbergen. Der Bois Saint Anastasie möchte da ein Gegenpol der Ruhe sein. Ganz fertig scheinen die Bauarbeiten zum Zeitpunkt unseres Besuchs nicht gewesen zu sein, denn die der Hauptstraße abgewandte Grenze zu einem Kanal franste in nur teilweise gepflegte oder bebaute Flächen aus. Der Park kostete Eintritt, ganz frei von Müll war er dennoch nicht. Die Pavillions im Park sind beliebte Veranstaltungsorte für Feste wie Hochzeiten. Zahlreiche Tische waren festlich eingedeckt und plüschig dekoriert.
Auf unserem Spaziergang gelang es uns leider nicht, Kameruns erste Galerie für zeitgenössische Kunst zu besuchen. Diese war im Juni 2017 eröffnet worden. Doch wann immer wir vor der Tür standen, war diese verschlossen. Untergebracht ist sie in dem eher unscheinbaren, relativ kleinen Gebäude der Nationalbibliothek.
Ein anderes, wirklich tolles – und wirklich geöffnetes – Museum sollten wir an einem der nächsten Tage besuchen.
WM-Finale beim Béla Réthy Kameruns
Wer aufgepasst hat, wird festgestellt haben, dass unsere Reise genau in die Zeit des Fußball-WM-Finales 2018 fiel. Falls dieser Text noch in einigen Jahren zu lesen sein wird und der gnädige Mantel des Vergessens über dem Sommer 2018 liegt, erinnere ich hiermit nochmals: Deutschland war keine Teilnehmer des Finales. Stattdessen standen sich Frankreich und Kroatien gegenüber. Die Fußballbegeisterung der Kameruner ist spätestens seit der WM-Viertelfinalteilnahme des Landes im Jahr 1990 legendär. 2000 wurde die Männer-Nationalmannschaft sogar Olympiasieger in Sydney. Fußballplätze gibt es auch in der Hauptstadt überall und auch wenn sich zwei noch so kleine Mannschaften gegenüber stehen, an Zuschauern mangelt es nie. Das größte Stadion der Stadt, das Omnisport, ist ein beeindruckender Komplex auf einem der Hügel, über die sich Yaoundé ausbreitet und deshalb von weitem zu sehen. Ich habe keine Kamerunerin oder Kameruner getroffen, die sich nicht als Fan bezeichnen würden. Deshalb ist natürlich auch das Fußball-WM-Finale ein Ereignis, dass keiner verpassen möchte. Ob vor dem Fernseher zu Hause oder beim Public Viewing in einer der Bars am Straßenrand. Eigentlich genau wie in Deutschlands Wohnzimmern, Sky-Sportbars oder Freisitzen unter Heizpilzen in den Fußgängerzonen.
Wir waren zu einem Cousin meiner Frau, Jean Lambert Nang, zum Rudelgucken eingeladen. Er ist einer der bekanntesten Sportmoderatoren des Landes. Früher hatte er das Monopol für die Kommentare der Fußballfernsehübertragungen inne. Er war so etwas wie der Béla Réthy Kameruns. Seit er sich öffentlich wiederholt kritisch zur aktuellen Politik seines Landes geäußert hat, scheint seine Fernsehpräsenz deutlich abgenommen zu haben.
In der Nähe des Omnisports fanden wir sein Haus. Wie üblich sind die Anwesen hinter hohen Mauern verborgen, so dass man von den für unsere Augen Slum-ähnlichen Wohnvierteln nicht zwangsläufig auf die sich dahiner verbergenden Willen schließen kann. Zusammen mit einer Schwester meiner Frau und ihrer 5-köpfigen Familie, die aus Dänemark zu Besuch gekommen war sowie weiteren Geschwistern wurden wir sehr herzlichim großen, mit allerlei Dekoration ausstaffierten Wohnzimmer empfangen. Es gab sehr reichlich zu Trinken. Fast alle drückten die Daumen für Frankreich, so dass die Stimmung nach deren 4:2-Sieg nicht besser hätte sein können. Zur Feier des Tages wurde nach dem Abendessen noch eine Flasche exklusiven französischen Schaumweins geköpft…
Im Nationalmuseum
Klassisch touristische Sehenswürdigkeiten sind rar in Kameruns Hauptstadt. Sicherlich zählt das Denkmal für die Nationale Einheit Kameruns dazu oder das Rathaus im Zentrum der Stadt mit seiner, wie ich finde, bemerkenswerten und durchaus ansehnlichen, modernen Architektur. Seit 2015 gibt es jedoch einen weiteren Ort, der es wert ist, besucht zu werden. Das Nationalmuseum wurde in jenem Jahr im ehemaligen Präsidentenpalast eröffnet. Überraschenderweise brauchte ich nicht viel Überredungskünste um Josette, unseren Sohn und einige weitere Familienmitglieder zu überzeugen, das Museum zu besuchen.
Auf dem Weg dahin kamen wir an einer kleinen Demo vorbei, auf der ehemalige Staatsbedienstete für die Auszahlung ihres Gehalts bzw. ihrer Rente stritten. Wir kennen diese Misere nur zu gut, denn Josettes Vater ist ebenfalls von diesem Skandal betroffen. Der Staat schuldet ihm bislang 40.000.000 FCFA (ca. 70.000€) an Pensionszahlungen. Immer wieder werden die Anspruchsberechtigten unter fadenscheinigen Gründen vertröstet oder sollen irgendwelche Bestechungsgelder zahlen, um der Bearbeitung ihrer Ansprüche Vorschub zu leisten. Davon haben wohl zunehmend mehr Leute die Nase voll und wagen sich auf die Straße, was in einem Land, das seit über 30 Jahren von einem autokratischen Präsidenten und seiner korrupten Clique beherrscht wird, als durchaus mutig bezeichnet werden kann.
Vor dem Nationalmuseum angekommen, trafen wir auf die Vorbereitungen für ein Filmfestival -„Ecrans noir„. Es war eine Open-Air-Bühne aufgebaut, dazu Ausstellungspavillions verschiedener Projekte und Vereine sowie ein Cateringbereich. Leider waren wir zu früh, um das Spektakel, nicht einmal die offensichtlich geplanten Live-Bands, miterleben zu können.
Das Gebäude, in dem das Nationalmuseum untergebracht ist, stammt aus dem Jahr 1930 bis 1931. Es war der Palast des französischen Gouverneurs und wurde unter Théodore Paul Marchand, damals Hochkommissar in Kamerun erbaut. Es zeigt sich dem Besucher in einem typisch kolonial-französischen Stil: strahlend weiß getünchtes Mauerwerk, 2 Etagen mit großen, vor der Fassade umlaufenden Balkons. Nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1960 war es vom ersten Präsidenten Ahmadou Ahidjo, seiner Frau und seinen Kindern bewohnt. Er begann während seiner Amtszeit mit dem Bau eines neuen Präsidentenpalasts an anderer Stelle, welcher 1980 fertiggestellt wurde. 1988 wurde von seinem Nachfolger Paul Biya (seit 1982 ununterbrochen im Amt) ein Dekret erlassen, im alten Palais ein Nationalmuseum einzurichten. Nach langer Planung und Umsetzung konnte es schließlich 2014 eingeweiht werden.
Die Eintrittspreise ins Museum wurden gestaffelt nach In- und Ausländern, wobei Letztere deutlich mehr, vergleichbar mit ähnlichen Einrichtungen in Deutschland, zu zahlen hatten. Ein Guide führte uns zwei Stunden lang durch die verschiedenen Ausstellungen. Zu Anfang wurde deutlich gemacht, dass das Fotografieren in den Räumen absolut verboten sei. Man befürchte, dass sonst keine Besucher kämen, wenn alles im Internet abrufbar sei. Ich hielt mich natürlich an das Gebot, so dass es hier nur Außenaufnahmen zu sehen gibt:
Los ging es in einer Musikinstrumentensammlung. Die Exponate reichten von traditionellen Tamtams, Balafonen und Koras bis zu einem Saxophon des vermutlich international berühmtesten kamerunischen Musikers Manu Dibango. Leider konnten auf den vorhandenen Videoschirmen keine entsprechenden Filme gezeigt werden, so dass man die eigene Fantasie benutzen musste, sich die Instrumente beim Spiel vorzustellen.
Eine Ausstellung eines gemeinschaftlichen Gemäldes zeitgenössischer Künstler aus Congo Brazaville schloss sich an. Es trägt den Titel “ Hommage aux traditions : l’unité dans la diversité„. Das 18m lange Werk wurde zuvor in Rom und New York ausgestellt bevor es an seinen endgültigen Bestimmungsort in Yaoundé gesehen werden kann.
In einer weiteren Halle konnte man Modelle der traditionellen Wohnhäuser der verschiedenen Regionen Kameruns betrachten, außerdem alte Trachten aus diesen Gebieten.
In den ehemaligen Wohnräumen des ersten Präsidenten wurde eine umfangreiche Fotoausstellung zur Landesgeschichte gezeigt. Originale Möbel oder dergleichen waren in den Räumen nicht mehr erhalten.
Es gab archäologische Artefakte und eine Replik des Throns des Königs Njoya aus Fumban im Westen Kameruns. Das Original, eine Schenkung an den deutschen Kaiser, steht im Ethnologischen Museum der FU Berlin. Bald soll es im neu entstehenden Humboldt-Forum zu sehen sein. Neben seinen Konflikten mit deutschen und lokalen Autoritäten war Njoya berühmt für die Entwicklung einer eigenen Schriftsprache, der einzig bekannten im subsaharischen Afrika.
Besonders beeindruckt hat mich berufsbedingt allerdings eine Skulptur einer Gebärenden mit ihren Geburtshelferinnen, die die Geburts eines Landes versinnbildlichen soll. Die Bronze wurde in 50ern gegossen und zum 1. Januar 1960, dem Tag der Unabhängigkeit des frankofonen Landesteils vom Kolonialsystem gestiftet.
Den Abschluss bildete eine Wanderausstellung zur Geschichte der Sklaverei, welche allerdings im Wesentlichen aus Schautafeln bestand und sich recht oberflächlich fast ausschließlich mit den berüchtigten Dreiecksfahrten beschäftigte. Zumindest wurde die Ausstellung von unserem Tourguide recht zügig durchschritten.